Mein Name ist Andreas Ehrlich, ich bin verheiratet, habe zwei Kinder, bin 1980 geboren und derzeit 41 Jahre alt. Aufgewachsen bin ich in Wien, rund um die Familiengründung bin ich mit meiner Frau nach Niederösterreich gezogen. Zwischen 1994 und 1999 war ich Schüler in der damals neuen Abteilung „Wirtschaftsingenieurwesen“. Seit über 20 Jahren arbeite ich für den Tyco-Konzern, welcher vor einiger Zeit von Johnson Controls übernommen wurde und der mit ca. 120.000 Mitarbeiter und knapp über 30 Mrd. USD Umsatz zu den weltgrößten Unternehmen gehört. Ich verantworte in Österreich nahezu alle Shared Services, wie z.B: Einkauf, Lager, Fuhrpark, Logistik usw., bin Teil der Geschäftsführung und auch Prokurist.
Wie sah Ihre Laufbahn nach dem Abschluss am TGM aus?
Nach der Matura und dem Bundesheer wollte ich noch weiter studieren, anfangs im Bereich BWL, wobei ich mich dann doch umentschieden habe auf Wirtschaftsingenieurwesen und Qualitätsmanagement. Parallel habe ich auch immer gearbeitet. Zunächst war ich in einem kleinen Unternehmen im Bereich Umwelttechnik, danach kam ich zu meiner heutigen Firma, wo ich die ersten Jahre hauptsächlich in der Projektabwicklung für Brandbekämpfungsanlagen tätig war. Die Zertifizierungen bzw. Aufgaben einer Sicherheitsfachkraft, Gefahrgutbeauftragter und mehr habe ich nebenbei mitgemacht. Mit etwa 25 wurde mir die Leitung des Einkaufs angeboten, welche sich über die Jahre immer mehr erweitert hat, vor allem durch diverse Firmenfusionen.
Wie sind Sie zu einer Entscheidung gekommen, was Sie nach Ihrer Matura machen sollen?
Im Alter von 18 bzw. 19 hatte ich schon relativ klare Vorstellungen, was ich nach der Matura machen wollte. Diese Wege hatte ich auch begonnen, habe diese aber auch teilw. wieder verlassen. Ein Beispiel: Ursprünglich wollte ich beim Militär bleiben, habe dort aber irgendwann erkannt, dass ich mit einem HTL-Abschluss in der Privatwirtschaft mehr erreichen und verdienen kann. Den Plan für die Militärakademie habe ich somit wieder verworfen und habe ein reguläres Studium überlegt. BWL war meine erste Wahl, wobei ich nach einer Kennenlernphase dann auch umgestiegen bin. Nachdem ich meinen finalen Weg gefunden hatte, war die Umsetzung dann auch nicht schwer. Egal bei was, meine Eltern haben mich immer unterstützt. Vorbild für einen bestimmten Lebensplan hatte ich keinen.
Hat Ihnen die Ausbildung am TGM im Leben weitergeholfen?
Ja, definitiv. Die Zeit am TGM war voll mit Höhen und Tiefen. An beiden wächst man als Teenager. Es haben leider einige Kameraden das TGM in den fünf Jahren verlassen, aber von uns Absolventen kann ich berichten, dass alle erfolgreich sind im Leben. Müsste ich alles nochmals machen, würde ich auch wieder das TGM und die WI wählen. Die Verbindung zwischen Technik und Wirtschaft ist vor allem in Führungsfunktionen ein großer Vorteil, wo beides zusammenläuft.
Was war Ihr Plan vor Ihrem jetzigen Beruf? Hätten Sie gedacht, dass Sie Geschäftsführer und Prokurist werden?
Wie erwähnt, ab der halben HTL-Zeit hatte ich eine Militärlaufbahn im Sinn. Diese Idee hat sich beim Militär geändert. Danach habe ich meinen Beruf rein technisch gesehen. Ähnlich war es übrigens auch bei meinen Klassenkameraden. Viele haben in der Konstruktion begonnen. Über die Jahre im Arbeitsleben hat es sich dann zur heutigen Tätigkeiten entwickelt.
Wie kamen Sie zur Leitung der Shared Services?
Ich arbeite in einem Industriebetrieb. Ich würde sagen, dass die Basis das Verstehen der Technik ist, da damit das Geld im Unternehmen verdient wird. Damit verbunden bekommt man Kenntnis über die Zulieferwege, die richtige termingerechte Logistik und Nutzung von Lagerhaltung. Kennt man sich in diesen Bereichen aus, was mit einer Grundausbildung als Wirtschaftsingenieur recht schnell klappt, kann man diesen Job machen. Nebenaufgaben, wie z.B. Sicherheitsfachkraft, kann man mit den entsprechenden Zusatzqualifikationen gut dazu kombinieren. Was man sicher nur richtig im Berufsleben lernen kann, ist das Führen von Mitarbeiter. In diesem Bereich entstehen oft einzigartige Herausforderungen.
Wie sieht ein Arbeitstag bei Ihnen aus?
Im Konzern muss man sich bewusst sein, dass viel Einfluss auf die jeweiligen Länder genommen wird. Vor Corona bin ich oft herumgeflogen zu Konzerntreffen, was heute durch Online-Meetings ersetzt wurde. Mein Arbeitstag beginnt meist schon beim Frühstück mit einem Blick auf mein Firmenhandy und die Mails seit Dienstschluss vom Vortag, vor allem für kritische Betreffzeilen, wie „Urgent“, „Top urgent“, „Krankmeldungen“ udgl. Am Weg ins Büro folgen dann oft schon Anrufe. Im Büro versuche ich zuerst immer einen Rundgang durch meine Bereiche bzw. kurzen Kontakt mit allen Mitarbeitern im Homeoffice. Ab 9:00 Uhr sind die Tage dann gut gebucht mit Teams-Sitzungen, einberufen von Finance, Procurement, Operations, Service usw., also im Prinzip von allen Bereichen des Konzerns und der lokalen Bereiche. Einige Teams-Meetings halte ich selbst, wie z.B: Abstimmungen mit meinen Mitarbeitern, da viele im Homeoffice sind und sonst keine Updates zeitnah bekommen würden. Mails kommen fast minütlich. An eine Kommunikationsflut muss man sich in jedem Fall gewöhnen. Was mir neben dieser vielen Kommunikationsbearbeitung noch immer täglich Spaß macht, sind im Bereich Einkauf Verhandlungen mit Lieferanten und der „Siegeswille“ das beste Angebot für uns zu bekommen. Gegen Abend wird es dann ruhiger und so nach 10-12h endet ein normaler Arbeitstag. Ich versuche keine größeren Probleme am Tagesende offen zu lassen, da ein Abschalten daheim dann sonst schwer fällt. Nachdem ich als Prokurist auch persönliche Haftung habe, muss ich bei allen Entscheidungen und Unterschriften besonders aufpassen.
Wie lässt sich Ihr derzeitiger Beruf mit Familie und Freundeskreis vereinbaren?
Um die Wahrheit zu sagen, je höher der Job, umso weniger Zeit privat. Ich habe in meinem Arbeitsleben oft ganze Wochen durchgearbeitet, seit der Geburt meiner Kinder halte ich mir aber zumindest fix die Wochenenden frei von der Arbeit. Unter der Woche bleibt zwischen Abfahrt und Rückkehr nur wenig Zeit für die Familie. Wenn man es aber nur so kennt, ist es für alle Familienmitglieder nicht ungewöhnlich und praktisch Normalität. In Industriebtrieben hat man zudem am Freitag meist schon mittags aus, da sich die langen Tage hauptsächlich zwischen Montag und Donnerstag befinden. Für mich selbst gilt, ich habe den Beruf den ich habe und auch wollte, mit allen Höhen und Tiefen, aber die verbleibende Freizeit versuchen wir als Familie immer bestmöglich zu nutzen.
Was sind die positiven Eigenschaften Ihres Berufs?
Man lernt viel, speziell in Konzern ist man international eingebunden und nimmt aus allen Ecken der Welt viel an Wissen mit, das Gehalt, die Anerkennung des eigenen Teams als Führungskraft, die Kollegen im eigenen Land.
Was sind die negativen Eigenschaften Ihres Berufs?
Stress, Kommunikationsflut, Überreglementierungen
Was könnte eine Motivation für jungen Damen sein, die sich nicht sicher sind, eine Ausbildung mit technischem Hintergrund anzufangen?
Mir sind die letzten Jahrzehnte tatsächlich wenige Frauen in der Technik untergekommen. Was mich wundert, es sind mir generell kaum Frauen in Industrieunternehmen begegnet und wenn dann praktisch nur in der Buchhaltung. Ich habe versucht mein Team ausgewogen aufzubauen, die Hälfte meiner Abteilung ist heute weiblich. Ich kann berichten, dass es (zumindest in meinem Bereich) keine Aufgabe gibt, die nicht auch eine Frau machen kann. Ich würde sogar jeder Frau bzw. jedem Mädchen empfehlen, sich mehr für eine technische Ausbildung zu interessieren. Wie Corona gezeigt hat, sind die meisten Berufe in diesem Bereich krisensicher und arbeiten durchgehend, auch bei einem Lockdown.
Was würden Sie Ihrem „Alten Ich“ sagen?
Meinem alten Ich von 1994 (also zum Beginn der HTL) würde ich sagen, mache bitte alles nochmals genauso, aber lerne unbedingt ordentlich Englisch! Ich muss zugeben, Englisch war mir in der HTL nicht wichtig, habe ich gerade so geschafft und heute arbeite ich für einen US Konzern und spreche es verhandlungssicher ca. 50-60% meines Tages. Gelernt habe ich das aber erst mühsam im Beruf. Ich war auch kein Fan von Referaten und sonstigen Präsentation, würde meinem damaligen Ich aber heute sagen, dass „er“ sich hier mehr bemühen soll! Je besser man sich im Berufsleben von der ersten Minute verkaufen kann, umso mehr und schneller steigt man auf. Sonst fällt mir ad hoc keine Weisheit für mich selbst ein.
Erlauben Sie uns, Sie noch um ein paar Schlussworte zu ersuchen?
Ich wünsche Euch viel Erfolg!! Mit einer HTL-Ausbildung werden sich Euch viele Türen öffnen. Versucht noch weiter zu lernen/zu studieren bzw. Euch zu zertifizieren, auch wenn man vielleicht ein paar Anläufe braucht für den richtigen Weg. Könnt Ihr Euch dazu noch gut präsentieren in Deutsch und Englisch, steht Eurer Karriere nichts im Weg. Vergesst dabei aber nie auf Euer Privatleben!