Mein Name ist David Zidar, ich bin 35 Jahre alt und habe 2006 am TGM den Zweig „Kunststoff und Umwelttechnik“ in der Abteilung für Werkstofftechnik mit Auszeichnung abgeschlossen.
Für mich ist das Leben keine gerade Linie, die von A nach B führt. Es ist behaftet mit Umwegen, Stolpersteinen und schweren Aufstiegen. Ich habe immer versucht diese anzunehmen und das Beste daraus zu machen, frei nach einer buddhistischen Weisheit und einem meiner Lebensmottos: „Wenn du ein Problem hast, löse es. Wenn du es nicht lösen kannst, mach kein Problem daraus“.
Wie sah Ihre Laufbahn nach dem Abschluss am TGM aus?
Ein ausgezeichneter Abschluss, ist und war aber keine Garantie für einen geradlinigen Lebenslauf. Nach meinem Präsenzdienst beim Bundesheer, habe ich mein Studium an der Montanuniversität im Studium „Kunststofftechnik“ begonnen. Nach fünf relativ erfolgreichen Semestern habe ich eine Nebenbeschäftigung am PCCL als Junior Researcher angetreten. Die Forschung faszinierte mich, aber persönliche Probleme und ein langsamerer Fortschritt im Studium haben meinen ersten Umweg eingeleitet. Ich nahm eine Stelle im örtlichen Fitnessstudio als Spinning-Trainer an. Der Umgang mit Kunden und die Gestaltung der Kurse machten mir viel Spaß und ich konnte dadurch viele meiner Probleme überwinden und habe meine Freude am Sport und am Arbeiten mit Menschen entdeckt. Dies führte auch wieder zu einem verbesserten Studienerfolg, was mich aber nicht davon abhielt einen weiteren Umweg einzuschlagen und mir dadurch einen Kindheitstraum zu erfüllen. Engineering und Finanzen faszinierten mich schon seit jeher und ich nutzte die Chance mich 2014 mit einer Beratungsfirma im Finanzbereich selbstständig zu machen. Anfang 2017 beendete ich dieses Kapitel und kehrte zur Wissenschaft und Universität zurück. Die Erfahrungen die ich in dieser Zeit in den Bereichen Eigenmotivation und Zeitmanagement gesammelt hatte, ermöglichten mir meinen Bachelor noch 2017 und einen Master 2018 abzuschließen. Im Rahmen meiner Masterarbeit bin ich bereits in das Feld meines jetzigen Hauptforschungsthemas, dem Verschleiß an Kunststoffformenstählen, vorgestoßen und Professor Friesenbichler überzeugte mich die Position als Universitätsassistent und die Forschungsleitung im Bereich „Friction, Wear and Surfaces“ am Lehrstuhl für Spritzgießen von Kunststoffen direkt nach Abschluss meines Studiums zu übernehmen.
Wie sind Sie zu einer Entscheidung gekommen, was Sie nach Ihrer Matura machen sollen?
Da ich in den letzten beiden Jahren am TGM zum Schluss gekommen bin, mein Wissen in Bezug auf Kunststoff vertiefen zu wollen, blieben mir nur zwei Auswahlmöglichkeiten: Makromolekulare Chemie an der TU Wien oder Kunststofftechnik an der Montanuniversität Leoben. Nachdem ich mich am TGM im Zuge meiner Diplomarbeit intensiv mit der makromolekularen Chemie beschäftigt hatte, wurde mir klar, dass die ausschließlich chemische Seite der Thematik nicht genug für mich sei und entschied mich für Leoben.
Hat Ihnen die Ausbildung am TGM im Leben weitergeholfen?
Definitiv! In meinem derzeitigen beruflichen Umfeld und auch in der Zeit meines Studiums war die Ausbildung am TGM sehr wertvoll! Derzeit schätze ich besonders die umfangreichen spritzgusswerkzeugbaulichen Grundlagen die mir bei Neuentwicklungen von Messtechniken und Versuch-Apparaturen helfen. Auch privat greife ich regelmäßig auf handwerkliche Fähigkeiten zurück, die ich mir im Rahmen des Werkstättenunterrichts aneignen konnte.
Was war Ihr Plan vor Ihrem jetzigen Beruf? Hätten Sie gedacht, dass Sie Universitätsassistent am Lehrstuhl für Spritzgießen von Kunststoffen an der Montanuniversität Leoben werden?
Wie man meiner Laufbahn schon entnehmen kann, hat mir ein richtiger Plan lange gefehlt. Je mehr ich gemacht und dadurch gelernt habe, desto mehr konnte ich herausfinden was mir Spaß macht und worin ich gut bin. Eine wesentliche Sache, die ich gelernt habe ist, dass alles, was man mit Begeisterung tut, immer leichter von der Hand geht und ein besseres Ergebnis erzielt. Ich denke, dass die Kunst sich selbst für etwas zu begeistern eine der wertvollsten Eigenschaften ist, die man erlangen kann.
In den ersten drei Jahren des TGM wollte ich nie studieren, während des Studiums wollte ich schon mein Studium abbrechen und demensprechend sicher nie länger auf der Universität verbleiben als notwendig und jetzt bin selbst drei Jahre nach meinem Abschluss noch hier und habe Freude an Forschung, Projektleitung und der Betreuung von Studierenden. Man verändert sich mit jeder Erfahrung, die man im Leben sammelt und mit jeder Veränderung gewinnt man einen neuen Blickwinkel auf sein Leben und sein Tun.
Wie wird man Universitätsassistent am Lehrstuhl für Spritzgießen von Kunststoffen an der Montanuniversität Leoben?
Eine Forschungs- und Lehrposition an einer Universität, wie z.B. die Stelle des Universitätsassistenten, ist eine international öffentlich ausgeschriebe Stelle. Die Mindestanforderung ist ein abgeschlossenes Master Studium im jeweiligen Bereich sowie gewöhnlicherweise die Bereitschaft zum Verfassen einer Dissertation.
Meine derzeitige Position ist aber gar nicht mehr erreichbar. Der Lehrstuhl für Spritzgießen von Kunststoffen wird Ende September 2022 mit der Pensionierung von Prof. Friesenbichler geschlossen und in den Lehrstuhl für Kunststoffverarbeitung integriert.
Wie sieht ein Arbeitstag bei Ihnen aus?
Sehr abwechslungsreich! Alltag gibt es nicht. Die einzigen Fixpunkte sind Montagsbesprechungen mit unserem technischen Zeichner und Werkstattverantwortlichen Hr. Leitner und zweiwöchentliche Freitagsbesprechungen mit Prof. Friesenbichler. Mein Aufgabenbereich geht von Versuchen im Technikum und deren Datenauswertung und Aufbereitung bis hin zur Kostenkalkulation, Angebotseinholung und Forschungsprojektbetreuung. Persönlich sehe ich neben dem Projektmanagement welches das „Tagesgeschäft“ darstellt, die Verfassung von wissenschaftlichen Publikation für Konferenzen und die Betreuung von Studierenden bei deren Bac.- und Master Arbeiten als meine wichtigsten Aufgaben an. Generell muss ich aber ständig einen großen Anteil des Wissens, welches ich mir in meinen diversen Arbeitsbereichen angeeignet habe einsetzen, um diverse Problem zu lösen. Das ist es was mir Spaß macht und mich jeden Tag neu motiviert.
Wie lässt sich Ihr derzeitiger Beruf mit Familie und Freundeskreis vereinbaren?
Meistens sehr gut, auch wenn es natürlich wie überall gelegentlich intensivere Zeiten gibt. Ich kann mir meine Zeit relativ frei einteilen, da vornehmlich der Output zählt und nicht wie viele Stunden man im Büro gesessen ist. Derzeit saniere ich mit meiner Partnerin ein Haus in Leoben, welches nur 12 Gehminuten von meinem Büro weg ist. Dies ermöglicht mir in der Mittagspause oder wenn unbedingt notwendig auch sonst während des Tages kurz nach dem Rechten sehen zu können. Generell ist Leoben eine Stadt der kurzen Wege, was ich nachdem ich fünf Jahre täglich vier Stunden ins TGM hin-und zurück gependelt bin, selbst nach 15 Jahren noch sehr zu schätzen weiß.
Was sind die positiven Eigenschaften Ihres Berufs?
Die ständige Abwechslung, immer wieder neue Herausforderungen und die Brücke zwischen dem Arbeiten mit Menschen und dem Arbeiten alleine. Im Allgemeinen ist für mich genau dieser extrem breite Aufgabenbereich das Positivste.
Was sind die negativen Eigenschaften Ihres Berufs?
Leider gibt es zwei Faktoren, die aber überall nicht besonders angenehm sind. Faktor eins sind bürokratische Abläufe, die mich bremsen. Manchmal versagt meine Zeitplanung, weil es deutlich länger eine benötigte Unterschrift zu bekommen, eine Genehmigung oder ein Freigabe zu bekommen, als gedacht. Faktor zwei ist Geld, oder besser, der Mangel daran. Nicht in der Bezahlung, sondern in der Freiheit die es einem in der wissenschaftlichen Arbeit geben würde. Immer wieder stößt man in der Forschungsarbeit auf neue Problemstellungen, die man auch gerne noch untersuchen würde, aber das Kapital fehlt. Hier lässt sich im negativen aber wieder etwas positives ableiten. Je besser das Projektmanagement und die Projektplanung desto weniger ist Geld ein Problem, und auf je mehr Dinge man stößt die man gerne noch erforschen will, desto mehr Anhaltspunkte hat man für einen neuen Forschungsantrag.
Was könnte eine Motivation für jungen Damen sein, die sich nicht sicher sind, eine Ausbildung mit technischem Hintergrund anzufangen?
Ich bin ein Mann und finde diese Frage deshalb relativ schwierig, deshalb beantworte ich die Frage geschlechterneutral.
Wenn du die Welt verändern und mitgestalten willst, brauchst du dazu Wissen. Als Technikerin bekommst du die Grundlagen in deiner Ausbildung zur Verfügung gestellt und du selbst kannst entscheiden, wozu du diese dann nutzen wirst. Die Probleme von heute und morgen werden von Technikerinnen und Wissenschaftlerinnen gelöst werden. Wenn du also bereit bist dich der Herausforderung zu stellen und Teil der Lösung zu sein, dann hast du eigentlich keine andere Wahl und hoffentlich immer genug Motivation deinem Weg zu folgen.
Was würden Sie Ihrem „Alten Ich“ sagen?
Nichts! Jeder Schritt meines Lebens hat mich dorthin gebracht wo ich heute glücklich bin zu sein. Lektionen die ich am Weg gelernt habe und Anderen weitergeben möchte: zwei
1.) Vergleiche dich nicht mit anderen, sondern mit dir selber. Wenn du daran arbeitest besser zu sein als du gestern warst, wirst du auch alles erreichen was du dir vorgenommen kannst.
2.) Stelle dir immer die Sinn-bzw. die Warum-Frage! Wenn du für dich selber beantworten kannst, warum du etwas tust, lernst oder auch unterlässt, fällt es dir viel leichter Entscheidungen zu treffen.
Erlauben Sie uns, Sie noch um ein paar Schlussworte zu ersuchen?
Wenn man sich mit 11/12 Jahren für den Weg entscheiden muss der einen den Rest des Lebens begleiten wird, dann ist das eine sehr schwere und belastende Entscheidung. Was wenn ich mich falsch entscheide?
Ein Abschluss am TGM öffnet einem viele Türen, zwingt einen aber nicht durch eine dieser durch zu gehen. Generell hat man mit einer Ausbildung an einer HTL die Möglichkeit direkt in einen gut bezahlten Beruf einzusteigen, studieren zu gehen oder sich selbstständig zu machen. Durch die Vertiefung in einem Themenbereich wird entweder deine Begeisterung geweckt oder du weißt, was du später nicht mehr tun willst. Wenn du genau weiß was du willst gibt es heute genug Wege herauszufinden welcher Weg dich am ehesten dorthin bringt. Wenn du das so wie ich nicht genau weiß, dann halte dir mit einer HTL alle Möglichkeiten offen. Im schlimmsten Fall, musst du für 5 Jahre die Zähne zusammen beißen, aber dann hast du viel über dich und deine Interessen gelernt und kannst eine viel bessere Entscheidung für deinen Beruf oder dein Studium treffen als nach vier weiteren Jahren allgemeiner Ausbildung nach welcher du vermutlich genauso ahnungslos eine Entscheidung treffen sollst wie mit 11/12 Jahren. Ich denke ich bin ein gutes Bespiel dafür, dass man nicht immer genau wissen muss was man tut, man darf nur nie aufhören zu lernen und einen Schritt nach dem anderen machen.